Rüde oder Hündin

 

Rüde oder Hündin - von Thesen zu Tatsachen

Gerade bei Menschen, die ich vor dem Hundekauf berate, steht häufig die Frage im Raum, ob es ein Rüde oder eine Hündin werden soll. Durch veraltete Thesen und so manche Geschichten von Nachbarn oder Freunden entsteht häufig ein falscher Eindruck von den Unterschieden und Charaktereigenschaften des jeweiligen Geschlechts.

Thesen

" ...eine Hündin ist ruhiger und nicht so wild wie ein Rüde..."

Diese These ist so nicht zu bestätigen, denn eine derartige Aussage zu treffen, aufgrund des Geschlechts ist eigentlich unmöglich. Die Charaktereigenschaften hängen von der jeweiligen Rasse ab und ansonsten lediglich von der Verteilung der Gene. Es gibt Rüden die in sich ruhen, genauso wie Hündinnen, und im Gegensatz dazu auch welche, die vor Temperament nur so strotzen.

"... eine Hündin ist leichter zu erziehen als ein Rüde..."

Auch diese Aussage ist nicht korrekt. Eine Hündin ist nicht leichter oder schwieriger zu erziehen als ein Rüde. Bei beiden sollte man nicht auf eine gute Grunderziehung verzichten. Egal ob Rüde oder Hündin, wenn man die Erziehung im Junghunde Alter schleifen lässt, können sich unerwünschte Verhaltensweisen etablieren. Hunden geht es zum einen um die Verteilung der Ressourcen im Familienverband und zum anderen um die Verteilung der Aufgaben. Jeder hegt Anspruch auf Nahrung, Territorium und Fortpflanzung. Als Mensch sollte man immer der Entscheidungsträger sein, was diese Belange angeht, egal ob man eine Hündin oder einen Rüden hat.

"... ein Rüde ist aggressiver, als eine Hündin..."

Ebenso kann man diese These nicht bestätigen, ohne die Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften der Hunde zu berücksichtigen. Aggression ist häufig ein Resultat verschiedener Gründe wie zum Beispiel Territorialität, Sozialmotivation, Angst, oder Konkurrenzgehabe. Bei der Territorialaggression geht es dem Hund darum sein Territorium, seine Spielsachen, sein Futter oder seine Lieblingswiese gegenüber Menschen oder anderen Hunden zu verteidigen.  Sozialmotivierte Aggression soll Familienmitglieder schützen. Ängstliche Hunde, haben die Lernerfahrung gemacht, dass sie nur durch aggressives Verhalten Angstauslöser auf Distanz halten können.

Bei dieser Betrachtung wird deutlich, dass weder ein Rüde, noch eine Hündin mehr oder weniger Tendenzen für jeweilige Verhaltensmuster hat. Auch bei aggressivem Verhalten, um Konkurrenz zu vertreiben oder einzuschüchtern, nehmen sich Rüde und Hündin nicht viel. Beim Rüden fallen die sogenannten Komentkämpfe, bei denen es darum geht, welcher der Kontrahenten sich in der jeweiligen Situation durchsetzten kann, häufig harmloser aus, als wenn sich zwei Hündinnen auseinandersetzten. Dies ist zwar wesentlich seltener der Fall, allerdings sind die Verletzungen häufig massiver als bei Rüden.

"...eine Hündin schmust lieber als ein Rüde..."

Ähnlich ist es bei der Verschmustheit der Vierbeiner.  Auch hier kann man nicht bestätigen, dass sich Rüden weniger zum Menschen hingezogen fühlen, oder alle Hündinnen am liebsten mit ihren Menschen kuscheln.  Jeder hat seine Vorlieben, unabhängig von dem Geschlecht.

"... der Rüde markiert häufiger und läuft öfter weg..."

Das Markierverhalten von Rüde und Hündin lässt sich in verschieden Sparten unterteilen. Markiert wird auf beiden Seiten das Territorium, das Jagdrevier, aus Rudelzugehörigkeit, mit sexuellem Hintergrund, oder als Imponierverhalten Menschen und Artgenossen gegenüber. Je nach dem was dem jeweiligen Hund in bestimmten Situationen oder auch generell wichtig erscheint. Territorialinstinkt und Jagdinstinkt haben alle Hund, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Um die Rudelzugehörigkeit anzuzeigen, wird häufig drüber markiert, sofern es sich um Hunde handelt, die in einem Familienverband leben. Imponierendes Markieren kann wiederum aus unterschiedlichen Gründen geschehen, je nach dem wem und warum ein Hund imponieren möchte. Das sexuell motivierte Markieren ist stark von der Ausprägung des Sexualinstinktes eines Hundes abhängig. Mit dem Hintergrund, dass der Rüde das ganze Jahr deckbereit ist und die Hündin nur während der Hitze sexuell an Rüden und konkurrierenden Hündinnen interessiert ist, wäre es durchaus möglich, dass der Rüde tendenziell mehr markiert und eventuell auch öfter wegläuft. Allerdings ist das auch bei läufigen Hündinnen denkbar. Der einzige entscheidende Unterschied hierbei ist die Tatsache, dass der Rüde ganzjährig sexuell aktiv sein kann. Eigentlich ist es jedoch eine Trainingsfrage. Wenn man seinem Hund die Gelegenheit gibt an jedem Baum oder Busch zu markieren, und jeden Konkurrenten maß zu regeln, dann lässt man ihn auch in dem Glauben, dass er oder sie es ist, der sich fortpflanzen darf.

Tatsachen

Zunächst einmal gibt es Merkmale, die das äußere Erscheinungsbild betreffen. Hier kann man häufig Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen feststellen, wobei dabei natürlich die Rasse ausschlaggebend ist. Ein Rüde ist innerhalb einer Rasse häufig kräftiger und größer als die Hündin. Schon der Kopf ist häufig markanter und breiter, wohin gegen der einer Hündin eher schmal ist. Der Körperbau ist großrahmiger und teilweise auch ausgeprägter bemuskelt. Die Hündin erscheint dagegen eher zierlich und gedrungener.  Bei Langfelligen Rassen ist bei den Rüden häufig ein deutlicher Fellkragen im Halsbereich zu erkennen, wodurch ein Rüde etwas imposanter auftritt.

Der Rüde ist in einem Familienverband eher extern orientiert. Das bedeutet, dass er das Territorium gegenüber Feinden und Eindringlingen verteidigen muss, das Jagdrevier durchstreifen muss, Konkurrenten vertreiben und generell weniger rudelinterne Dinge entscheidet. Eine Hündin ist generell intern orientiert, dass bedeutet Brutpflege und Welpenaufzucht, Verteilung von Ressourcen und soziale Pflege des Rudels. Bei Zweit- oder mehr Hundehaltung, sind bestimmte Verhaltensmuster erkennbar. Hündinnen schlagen häufiger Alarm und Rüden gehen öfter in die Offensive. Allerdings leben Hunde mit uns in Familien zusammen und wir sollten diejenigen sein, die sich um diese Belange unserer Hunde kümmern.

Fazit

Thesen und veraltete Aussagen, lassen sich also häufig widerlegen und es wird deutlich, dass weniger die Frage nach Rüde oder Hündin wichtig erscheint, sondern welche Rasse passt zu mir, wie groß und schwer soll der Hund sein, was möchte ich mit dem Hund unternehmen bzw. welche Charaktereigenschaften sollte er mitbringen.